Interview mit François Bausch im Luxemburger Wort

"Nicht vergleichbar"

Interview: Luxemburger Wort (Marc Schlammes)

Luxemburger Wort: François Bausch, wie groß ist die Gefahr, dass der internationalen Gemeinschaft in Mali ein ähnliches Desaster widerfährt wie in Afghanistan?

François Bausch: Ohne die Lage in Mali zu beschönigen: Sie ist nicht vergleichbar mit Afghanistan. Es gibt zwar ähnliche Grundprobleme wie etwa die Korruption oder eine mangelhafte Rechtsstaatlichkeit. Mali ist vor allem ein passendes Beispiel wie die Klimaproblematik ein Land destabilisiert, denn die klassischen Konflikte um fruchtbares Land werden durch den Klimawandel verschärft. Anders in Mali ist auch, dass es via Ecowas ein regionales Einwirken auf die Machthaber in Bamako gibt, was für Afghanistan nicht der Fall war.

Luxemburger Wort: Sie wollen demnächst nach Mali reisen. Welche Erwartungen knüpfen sie an diesen Aufenthalt?

François Bausch: Es ist eine gute Gelegenheit, sich mit eigenen Augen ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Für mich ist es auch wichtig, unsere Soldaten, die fern von Heimat und Familien ihren Dienst verrichten, zu unterstützen. Und in den Gesprächen mit dem Regime will ich deutlich machen, dass sie gewisse Kriterien zu berücksichtigen haben. Wir haben ein Interesse an einer Stabilität in der Region; diese Stabilität muss aber an die Wahrung von Prinzipien geknüpft sein. Wir können nicht die malischen Streitkräfte nach hiesigen Standards ausbilden, während die Regierung gleichzeitig auf Söldnerdienste wie die der russischen "Gruppe Wagner" zurückgreift.

Luxemburger Wort: Ist dieses Drohpotenzial nicht dennoch begrenzt: Allein aufgrund drohender Migrationswellen infolge anhaltender Perspektivlosigkeit sitzen die Machthaber in Bamako doch am längeren Hebel?

François Bausch: Ich bin nicht blauäugig: Dieses Risiko ist reell. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass niemand flüchten und das Land im Chaos versinken sehen will. Würde ich nicht davon ausgehen, dass ein Wunsch nach Entwicklungsperspektiven bestehe, dann könnten wir uns sofort zurückziehen. Entscheidend wird sein, dass sich das Regime das Vertrauen der Bevölkerung sichert, beispielsweise durch Neuwahlen. Nur dann kann dem Terrorismus der Nährboden entzogen werden.

Luxemburger Wort: Sie können zumindest auf eine Trumpfkarte setzen: Luxemburg verfolgt weder wirtschaftliche noch militärische Interessen.

François Bausch: Gewiss kommt uns zugute, dass wir keine Kolonialvergangenheit haben. Luxemburg genießt vor allem ein gutes Image, weil wir seit vielen Jahren in Mali und der Sahel-Region eine Entwicklungshilfe leisten, die sich sehen lässt. Da werden wir als glaubwürdig wahrgenommen, wenn wir beispielsweise darauf pochen, dass freie Wahlen stattfinden sollen.

Luxemburger Wort: Mit welchen Argumenten kann man den Bürgern hierzulande die militärische Präsenz Luxemburgs in Mali glaubhaft vermitteln?

François Bausch: Indem man auf die geschichtliche Schuld der Europäer hinweist. Europa hat enorm von der Kolonialzeit profitiert und vor allem in Afrika sehr viel Schaden angerichtet. Darunter leidet der Kontinent bis heute und mit unserem Engagement leisten wir einen konkreten Beitrag, um diese Schuld zu begleichen. Zum geschichtlichen kommt das geografische Argument: Afrika liegt so nahe an Europa, dass wir es uns nicht leisten können, dass dieser Kontinent dauerhaft destabilisiert ist.

Luxemburger Wort: Welche Erfahrungen sollen die luxemburgischen Soldaten vor Ort davontragen?

François Bausch: Sie sollen erfahren, dass sie mit ihrem Know-how dazu beitragen, dass Konflikte vermieden werden. Und sie erleben vor Ort, wie die Lage wirklich ist. Von dieser realistischen Beschreibung kann auch die Politik profitieren - im Übrigen wäre es gut gewesen, wenn in Afghanistan die Warnungen der Soldaten ernst genommen worden wären.

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